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21-10-10 von anderer Qualität

Autor: caspar 10.10.2021

Da sagte ihnen Jesus: „In dieser Welt unterdrücken die Herrscher ihre Völker, und rücksichtslose Machthaber lassen sich als Wohltäter feiern. Aber bei euch soll es nicht so sein." Lukas 22,25–26 (Hoffnung für alle) „Ihnen werde ich noch zeigen, dass mit mir nicht gut Kirschen essen ist!" Der „Genosse" von der Abteilung Inneres im Leipziger Stadtbezirk Plagwitz hatte sich erregt hinter seinem Schreibtisch erhoben, vor dem ich als junger Pastor saß. „Das haben die anderen Pastoren auch lernen müssen!" Was war mein Vergehen? Ich hatte gewagt zu fragen, warum er bei meinem kleinen Flyer, den ich für eine Vortragsreihe drucken lassen wollte, das Lied „Ich möcht', dass einer mit mir geht" gestrichen hatte, wo doch der Pastorenkollege in einem anderen Stadtbezirk die Genehmigung dafür erhalten hatte. (Damals in der DDR musste man jedes kleine Druckerzeugnis von den Behörden genehmigen lassen.) Nun sollte ich also lernen, was es heißt, mit einem SED-Funktionär nicht gut Kirschen zu essen. Außer willkürlicher Zensur (die man damals so nicht bezeichnen durfte) und ein paar Seiten Stasi-Akte habe ich nichts dergleichen kennengelernt, wohl aber, dass solche Leute nach dem Zerfall des Regimes von diesem Verhalten nichts gewusst haben wollen – und dass Jesus diese Dinge schon vor zweitausend Jahren beschrieb. Er empfahl uns, einen Gegenentwurf zu leben: „Aber bei euch soll es nicht so sein." Das bedeutet doch: Wo Kirche – egal welcher Couleur – mit Machtstrukturen aufwartet, lebt sie nicht das, was Jesus im Sinn hatte. Das trifft für eine Kirche sowohl im Weltmaßstab als auch auf der Ebene einer Ortsgemeinde zu. Machtausübung und Glaube gehören nicht zusammen. Herrschen und Glauben sind ein ungesundes Paar. Ich habe erlebt, wie beruflich hochstehende Koryphäen nach einem gemeinsamen Mittagessen die Tische abräumten und Essensreste wegwischten – und war beeindruckt von der Selbstverständlichkeit, mit der sie das taten. Darum konnte der Herrscher der Welt auch ein Handtuch nehmen, vor Menschen auf die Knie gehen und ihnen die Füße abtrocknen. Ihm fiel dabei kein Zacken aus der Krone, weil seine Krone von anderer Qualität war. Vielleicht kommen wir heute in eine Situation, wo wir zeigen können, „wes Geistes Kind" wir sind. Bitten wir Gott um De-Mut, im rechten Moment die richtige Haltung an den Tag zu legen. Matthias Müller

© Advent-Verlag Lüneburg - mit freundlicher Genehmigung 

Bibellese: Morgens: Jesaja 28–29 Abends: Philipper 3

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